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Der Rhythmus der Schnitte

Jakob Kirchheim zeigte in Gauting, wie er seine Bilder zum Laufen bringt

GAUTING - Jakob Kirchheim, dessen Linolschnitt-Illustrationen und Linolschnitt-Tableaus zur Zeit in der Galerie im Anbau zu sehen sind, hatte zu einem Abend mit Filmen und Videos eingeladen, die zeigen, wie er seine Bilder zum Laufen bringt. Der letzte und zehnte der Beiträge von drei bis 15 Minuten Länge war eigens für die Ausstellung mit dem Titel "Afrikarten" hergestellt worden.

An ihm wird am ehesten deutlich, wie sich Zugang gewinnen läßt zum Werk dieses Malers und Jungfilmers, der sich mit einem, schon mehrfach ausgezeichneten "Linolbüro" eine Nische im Überlappungsbereich zwischen bildender Kunst und Film gesucht hat. Im persönlichen Gespräch mit Jakob Kirchheim fiel sein Satz: "Ich liebe das Fragmetarische". Welches Potential von Phantasie und Lust am Experiment beim Schöpfer wie beim Betrachter des Resultats über die Hingabe an das Fragmentarische freiwerden kann, läßt sich an einzelnen Aspekten des Videos zur Herstellung der "Afrikarten" gut verstehen. Gezeigt wird der Prozeß der Entstehung der Linoldrucke für das Projekt, das sich, auf der Basis der Kartographie zentralafrikanischer Länder, mit atmosphärischen und mentalitätsbezogenen Bedingungen auseinandersetzt.

Hier wurden typische Handlungen durch Schnitte rhythmisiert (Jakob Kirchheims Zauberwort) und mit ebenfalls rhythmisierten, also in rascher Folge aneinandergesetzten, Einzelbildern von den entstandenen Formen zusammengeschnitten. Linoltafeln stapeln sich und werden wieder kleiner, Masken fliegen beiseite und auf den Boden, weil fertig gedruckt, Farbtuben sind zunächst voll, dann nur noch leere Schläuche. Das Video vermittelt: Hier wurde hart und professionell gearbeitet, aber mit Spaß am Machen und am Ergebnis.

Vielleicht hätte sich der Zugang zu den anderen Filmen und Videos leichter eröffnet, wäre dieser Streifen zu Beginn gezeigt worden. So war man zunächst etwas ratlos dem psychedelischen Effekt der ungeheuer raschen Schnitte ausgeliefert, die die weitgehend abstrakten Formen der drei "Drei-Minuten-Filme" "Afrikarten", "Länder", und "What's up?" strukturieren, Susanne Forster (Puppet Players) fragte denn auch, ob der Zuschauer es nicht wert sei, einmal langsam eins der Bilder anschauen zu dürfen. Auch Bürgermeister Knobloch fühlte sich vom Tempo zu hart rangenommen. Aber der junge Künstler meinte nur, eben dies, das rhythmisierte Schnitttempo, sei der Witz der Filme. Anderswo, etwa bei Wettbewerben, werde das sofort verstanden.

In "What's up?" verwandeln sich geometrische Formen, vor allem Kreise in leuchtenden Farben, ineinander, so daß ein sehr lebendiges, aber für die Augen anstrengendes Feuerwerk entsteht. "Kin-Topp in Afrika" hat eine politische Botschaft. Die Straßenschilder im Afrikanischen Viertel von Berlin wurden mit im Tempo leicht verfremdeten Straßenszenen dort, einer alten Graphik aus der Kolonialzeit ("Kapital in die Kolonien, Industrieerzeugnisse in die Kolonien"), TV-Aufzeichnungen von preußisch marschierenden Schwarzen in Paradeuniformen, und abstrakten Mustern zusammengeschnitten.

Für den Streifen "Die Prinzessin der zweiten Hand", vom Berliner Senat mit einem Förderpreis versehen, verließ Jakob Kirchheim den Linolschnitt. Er fertigte 750 Aquarelle, die in Überblendtechnik die Geschichte von Lisa mit der abgehackten und ihr als Werkzeug dienstbaren Hand erzählen. Die sehr malerischen, phantasie- und symbolstrotzenden Bilder verbinden sich mit Poesie, rüdem Fixerjargon und einem Schuß Moral.

INGRID ZIMMERMANN